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Wissenschaftlichkeit

6. Oktober 2010, 19 Uhr, Essen

Dr. Michael Teut (Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité – Universitätsmedizin Berlin ) und Dr. Henning Albrecht (Karl und Veronica Carstens-Stiftung)
Ort: Philharmonie Essen (Weißer Saal), Huyssenallee 53, 45128 Essen
Veranstalter: DZVhÄ und Karl und Veronica Carstens-Stiftung

Am Beginn der Entwicklung der Homöopathie steht die Forderung nach einer rationalen Medizin

„Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit, oder Hebung und Vernichtung der Krankheit in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zuverlässigsten, unnachtheiligsten Wege, nach deutlich einzusehenden Gründen.“
Dies fordert der Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann in § 2 des Organon der Heilkunst als Voraussetzung jeder Medizin – bevor er die Grundgedanken der Homöopathie entwickelt.

Die Forderung nach einer rationalen Begründung der Arzneitherapie stellte Hahnemann als einer der Ersten in der Medizin auf. Die damalige Medizin beruhte auf spekulativer Grundlage; obwohl die Grundlagenforschung (Anatomie, Physiologie) teilweise schon naturwissenschaftlich geprägt war. Praktisch drückte sich das darin aus, dass die verwendeten Arzneien in ihrer Wirkung am Gesunden geprüft werden müssen.
Basierend auf dem Paradigma des Ähnlichkeitsprinzips beruht die Homöopathie in ihrer Arzneimitteltherapie mit der homöopathischen Arzneimittelprüfung somit auf einer experimentellen Grundlage.

Für die moderne konventionelle Pharmakotherapie sind valide pharmakologische Aussagen nur für den Idealfall der Monotherapie möglich – die reale Polypharmakotherapie ist in keiner Weise wissenschaftlich validiert. Im Gegensatz dazu beruht die Homöopathie auf einer reinen Monotherapie. Möglich ist diese Monotherapie nur, weil sich die Therapie an der Gesamtheit der Symptome orientiert.

Die gegenwärtige Forschungssituation in der Homöopathie ist dadurch gekennzeichnet, dass naive Skeptiker, die Notwendigkeit einer weiteren Beforschung der Homöopathie für überflüssig erklären („Es kann nichts dabei herauskommen, das ist schon per se nicht plausibel. Und es ist ja nun sogar seit 200 Jahren geprüft worden und es ist nichts dabei herausgekommen – nun könne man es ja allmählich mal bleiben lassen. Insbesondere sollten keine Steuergelder für so etwas verschwendet werden!“). Auf der anderen Seite stehen die naiven Protagonisten, die eine weitere Erforschung ebenso für überflüssig halten („Das funktioniert doch nun schon seit 200 Jahren erfolgreich, nun sollte man das doch mal anerkennen. Und wie das Ganze funktioniert, steht doch schon im Organon. Was soll denn noch erforscht werden?“)

Und was sagt das Organon zur Wissenschaftlichkeit?

Einleitung

„Ohne die Verdienste zu verkennen, welche viele Aerzte um die Hülfswissenschaft der Medicin, um die Naturkenntnisse in der Physik und der Chemie, um die Naturgeschichte in ihren verschiedenen Zweigen und der des Menschen im Besondern, um die Anthropologie, Physiologie und Anatomie u.s.w. sich erwarben, habe ich es hier nur mit dem praktischen Theile der Medicin, mit dem Heilen selbst zu thun, …“ (S. 15)

§ 2

„Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit, oder Hebung und Vernichtung der Krankheit in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zuverlässigsten, unnachtheiligsten Wege, nach deutlich einzusehenden Gründen.“

§ 19

„Indem nun die Krankheiten nichts als Befindens-Veränderungen des Gesunden sind, die sich durch Krankheits-Zeichen ausdrücken, und die Heilung ebenfalls nur durch Befindensveränderung des Kranken in den gesunden Zustand möglich ist, so sieht man leicht, daß die Arzneien auf keine Weise Krankheiten würden heilen können, wenn sie nicht die Kraft besäßen, das auf Gefühlen und Thätigkeiten beruhende Menschenbefinden umzustimmen, ja, daß einzig auf dieser ihrer Kraft, Menschenbefinden umzuändern, ihre Heilkraft beruhen müsse.“

§ 20

„Diese im innern Wesen der Arzneien verborgene, geistartige Kraft, Menschenbefinden umzuändern und daher Krankheiten zu heilen, ist an sich auf keine Weise mit bloßer Verstandes-Anstrengung erkennbar; bloß durch ihre Aeußerungen beim Einwirken auf das Befinden der Menschen, läßt sie sich in der Erfahrung, und zwar deutlich wahrnehmen.“

§ 21

„Da nun, was niemand läugnen kann, das heilende Wesen in Arzneien nicht an sich erkennbar ist, und bei reinen Versuchen selbst vom scharfsinnigsten Beobachter an Arzneien sonst nichts, was sie zu Arzneien oder Heilmitteln machen könnte, wahrgenommen werden kann, als jene Kraft, im menschlichen Körper deutliche Veränderungen seines Befindens hervorzubringen, besonders aber den gesunden Menschen in seinem Befinden umzustimmen und mehre, bestimmte Krankheitssymptome in und an demselben zu erregen, so folgt: daß wenn die Arzneien als Heilmittel wirken, sie ebenfalls nur durch diese ihre Kraft, Menschenbefinden mittels Erzeugung eigenthümlicher Symptome umzustimmen, ihr Heilvermögen in Ausübung bringen können, und daß wir uns daher nur an die krankhaften Zufälle, die die Arzneien im gesunden Körper erzeugen, als an die einzig mögliche Offenbarung ihrer inwohnenden Heilkraft, zu halten haben, um zu erfahren, welche Krankheits-Erzeugungskraft jede einzelne Arznei, das ist zugleich, welche Krankheits- Heilungskraft jede besitze.“

§ 106

„Die ganze, Krankheit erregende Wirksamkeit der einzelnen Arzneien muß bekannt sein, das ist, alle die krankhaften Symptome und Befindens-Veränderungen, die jede derselben in gesunden Menschen besonders zu erzeugen fähig ist, müssen erst beobachtet worden sein, ehe man hoffen kann, für die meisten natürlichen Krankheiten treffend homöopathische Heilmittel unter ihnen finden und auswählen zu können.“